Da es sich bei Spam in der Regel um Textnachrichten handelt, erfolgte die kreative Reflexion und Umdeutung auch auf einer textgebunden, literarischen Ebene. Initiativen wie das „Spam Poetry Institute“ (www.Spampoetry.org/) oder die Website „Spam is Poetry“ (http://www.Spamispoetry.com/) dokumentierten das vermeintliche poetische Potential der Massenmails.
In der Regel werden von den Initiatoren aus der eingehenden Junkmail einzelne Nachrichten ausgewählt, die nach Auffassung der Betreiber eine „literarische“ oder „poetische“ Qualität („fine literature created by the world`s Spammers“) besitzen: die Mails formulieren in der Regel gerne rätselhafte Botschaften, können als Metapher verstanden werden oder eröffnen einen Bedeutungsraum, der eben mehr ist, als ein „verzweifelter Schrei nach Zuwendung aus der Marketing-Gosse". Ein Grundprinzip dieser Poetisierung von Spam ist eine, gerne auch ironisch fundierte, Veredelung und Exegese: die Textpassagen werden aus ihrem originären Bedeutungszusammenhang gelöst und inhaltlich oder formal in einen neuen Zusammenhang verschoben. Diese Isolierung der Botschaften und die dadurch erfolgte „Bereinigung“ ermöglicht den Sentenzen tatsächlich eine andere Qualität. Die Phrasen werden zu einem Motto, Wahlspruch oder Slogan, der mit dem gerne banalen, bösartigen oder zutiefst kommerziellen, aber immer heilsversprechenden, Hintergrund spielt. Im Kopf des Lesers oder Betrachters erfolgt eine neue Kontextualisierung und Autorisierung. Was bedeutet das für unsere Gesellschaft? Die Mediengesellschaft braucht das Produkt nicht mehr, sie vertraut allein auf die Heilswirkung der Botschaften? Und diese Botschaften liegen zu hundertausenden in allen Sprachen in digitalen Off des Internets oder werden den Rezipienten frei Haus geliefert? Wie Notizen und Relikte einer unerschöpflichen digitalen Performance schweben sie als frei verfügbare Chiffren im Raum und erlauben eine Ausdeutung vom profanen bis in den sakralen Kontext. Was für eine Dimension ;-)
Bildquelle: http://www.spamispoetry.com
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