Dem Kontext der Spam-Poetry sind auch literarisch-poetische Umsetzungen zuzurechnen, wie sie der englische Autor Ben Myers 2008 in einer Sammlung eigener Gedichte versuchte. Die "E-Mail Inspired Poems“ (Blackheath Books)" waren unmittelbar von Spam inspiriert und wurden mit Zitaten des britischen Science-Fiction-Autors James Graham Ballard (geb. 1930) und des amerikanischen Schriftstellers Robert Frost (1874-1963) eingeleitet:
„Electronic aids, particulars domestic computers, will help the inner migration, the opting out of reality. Reality is no longer going to be the stuff out there, but the stuff inside your head. It’s going to be commercial and nasty at the same time“ (J G Ballard).
„Poetry is what gets lost in translation“ (Robert Frost).
Myers fand seine Gedichte im digitalen Niemandsland. Er selektierte und extrahierte die Botschaften und schrieb dazu in seinem Blog: „Because there is no set form I can only share how I approach writing such poetry. First of all, you need to turn off your Spam filter and risk an influx of viruses. Fear not though, it will be worth it: computers are replaceable, poetry is forever. Only one in ten or so Spam e-mails will be of interest, so discard the boring ones and concentrate on a good one. Keep the best lines, phrases or key words, then cut it down. Keep re-reading it and sooner or later something of interest might emerge – even if it just a line or two. For example I received an e-mail entitled ‘Videos Of Girls’ that was probably advertising porn and I extracted the following line: And in comes the sun crow, timidly / drinking sulky cat sour milk sickness. I still don’t know what it means, but it reminded me of TS Eliot, so I kept it. I think the key to a good Spam poem is not what it says, but how it makes you feel. In this instance, ‘Videos Of Girls’ makes me feel slightly suggestible“.
Seine Ver-Dichtungen entwickeln einen surrealen Duktus in der Konfrontation von moderner Technologie und tradierten literarischen Techniken, von Kommerz und Poesie. Er manipulierte Texte über Viagra, russische Bräute, Sexspielzeuge und vermeintliche Bankschreiben zu bizarren lyrischen Kompositionen. Dabei stellt er seine Arbeit in eine Beziehung zur amerikanischen Beat-Ikone William S. Burroughs, der Teile seiner Romane in der sog. „cut-up“-Technik geschrieben hatte. Burroughs hatte seine Manuskripte in kleine Zettel zerschnitten und diese dann ohne genauen Plan neu geordnet. Daraus entstand eine assoziative Erzählstruktur, die dem Leser einen beliebigen Einstieg und eine freie Handlungslinie im erzählerischen Fortgang bot. Auch Myers arbeitet in seinen Gedichten mit dem Zufall, der ihn aus den unbekannten Weiten des Internet mit einer Nachricht versorgte. Der jeweilige konkrete oder abstrakte Inhalt wird von ihm selektiert und in einen neuen Zusammenhang, eine andere, diesmal poetische, Realität, überführt.
Bildquelle: http://www.blackheathbooks.org.uk/8.html
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