Dienstag, 31. August 2010

MADA s.p.a.m

Auf reale und gebaute Spam-Architektur müssen wir wohl noch warten, wiewohl Architektur- und Designbüros wie MADA s.p.a.m. um den einflussreichen chinesischen Architekten Qingyun Ma zumindest etymologisch mit dem Thema spielen: "s.p.a.m." steht hier für strategy, planning, architecture and media. Das chine...sische Büro leitet seine strategischen Ziele aber auch aus dem Kosmos der Junkmails ab und hat sich das Ziel gesetzt, die intellektuelle Firewall der internationalen Architektur zu durchbrechen: „With an aim to launch a critical practice that is not purely based on “critical” cultural theory, but more on critics to current pattern of architectural practice and, MADA s.p.a.m. has set an example to break the intellectual “firewall”, and reach out to reclaim more responsibilities which architects have voluntarily abandoned in last decades”. Die aktuell 25 Architekten von MADA s.p.a.m. arbeiten in der Überzeugung, dass jede programmatische Herausforderung einen eigenen Lösungsansatz jenseits bekannter ästhetischer und formaler Design-Theorien möglich macht.
Die Arbeiten des in Shanghai lokalisierten Büros verblüffen immer wieder durch stilsichere Vielfältigkeit. Neben dem ausgefallen Verwaltungsbau für "Guanghualo SOHO" in Peking, einem der extravagantesten Immobilienentwickler in China, sieht man auch traditionelles Mauerhandwerk wie bei dem Projekt für das Weingut "Jade Village". MA Qingyun versucht, die Geschwindigkeit im Bauprozess als Chance zu begreifen und aus den vielen Beschränkungen vor Ort möglichst viele Freiheiten zu gewinnen.



Bildquellen: http://www.madaspam.com/ und http://bryla.gazetadom.pl/bryla/1,85298,5203653,Guanghualu_SOHO.html

Der Virus als soziales Kunstwerk

In der globalen Mediengesellschaft wurden dem Massenphänomen Spam immer mehr Initiativen gewidmet, die ihn als Ausdrucksform, womöglich Ausfluß, unserer Gesellschaft begreifen und ihm eine „höhere Wahrheit“ zugestehen. Dabei ist es wohl die ständig wachsende Penetranz, der ...ansatzweise anarchische Duktus und die zuweilen aufscheinende Kreativität der Massenmails, die Künstler dazu motiviert, diese zu einer Grundlage für künstlerische Umformungen zu nutzen. Spam-Art eröffnet keinen neuen ästhetischen Diskurs, womöglich aber eine neue Kategorie innerhalb der sog. Medienkunst. Sie wird durch ihren eindeutigen Bezug auf Massenmails und die damit verbundenen gesellschaftlichen Kommunikationsmechanismen bzw. technischen Prinzipien charakterisiert. Die direkte oder indirekte Reaktion auf globale Kommunikationsmuster, der Bezug auf technische oder ästhetische Aspekte und der Zugriff auf Informationen mit globaler Verbreitung und Wertigkeit verleiht dieser Kategorie ein eigenständiges Profil. Dabei tut sie dies nicht notwendigerweise auf spektakuläre Weise, ja ist sogar nicht zwingend digital. Im Vordergrund stehen nicht die (Medien-)Technologien an sich,, sondern deren Wirkungsweisen.
So sind in diesen Kontext auch Artefakte einzureihen, die nur einen periferen Bezug zu den Massenmails und ihrer technischen Konditionierung haben. Ein Beispiel hierfür ist Computervirus „biennale.py“, der 2001 auf der 49.Biennale in Venedig im slowenischen Pavillon präsentiert wurde. Die Künstlergruppen epidemiC (http://www.epidemic.ws/) und 0100101110101101.ORG (http://0100101110101101.org/) hatten einen funktionsfähigen Virus geschrieben und die „Ästhetik des Source Codes“ in die Tradition des Dadaismus gestellt: „A virus is usually considered evil, chaos. But what happens when it is a contemporary art temple to spread the chaos? (…)The creation of a virus tout court, free and without an end or a goal, is in the worst case a test, a survey on the limits of the Net, but in the best case is a form of global counterpower, generally a pre-political form, but that resists the strong powers, it puts them under a new balance, it shakes and reassembles them. A new idea of a "virus that is not just a virus" is gaining acceptance, and that it can represent the outbreak of the social into the most social thing of all: the Net.”

Der Virus als soziales Kunstwerk, als digitaler Ausdruck des politischen und ästhetischen Widerstands. Zur Hinterfragung des Netzes als technisch gewordene Utopie der Moderne zitierten die Macher schließlich den französischen Medientheoretiker Jean Baudrillard (Cool Memories, 1989): „Within the computer web the negative effect of viruses is propagated much faster than the positive effect of information. That is why a virus is an information itself. It proliferates itself better than others, biologically speaking, because it is at the same time both medium and message. It is the ultra-modern form of communication“.

biennale.py

Bildquelle: http://www.epidemic.ws/biannual.html

Montag, 30. August 2010

eine künstliche blumenvase

 „… und in der tat ist spam so etwas wie eine künstliche blumenvase, wo anstatt der blumen farbige buchstabengebilde das bukett bilden: deformationen der buchstaben S, P, A, M. diese vier buchstabenfragmente bilden zugleich die vier seiten des objekts. jede seite wiederum baut sich aus vier schichten auf. jede schicht hat ihre eigene farbe. auf diese weise changiert das objekt von gelb über grün über rot zu blau. zusammen erzeugen die farben neutrales weißes licht. diese deformierten leucht-buchstaben haben alle einen stiel, der nach unten in den "technikraum" des objekts führt. dort findet sich die verkabelung, dort liegen die transformatoren, leicht entrückt hinter opakem glas. spam ist ein schlichtes objekt, in dem semantisierung und desemantisierung, bedeutung und funktion, technik und dekoration zwar miteinander verschliffen werden, doch zugleich klar getrennt voneinander dargestellt sind. kurz gesagt ist spam eine hochästhetische leuchtdekoration, die sich müll nennt und dabei zugleich in seiner transparenz dem grundprinzip moderner gestaltung – form follows function – huldigt.“ (Michael Hofstetter)


Michael Hofstetter
Spam (gelb/grün/rot/blau), 2001-2005
Neonröhren, Plexiglas, opake Folie, Transformatoren, Kabel, 84 x 53 x 53 cm 

Bildquelle: http://www.hamburger-kunsthalle.de/snafu/seiten/11.htm